An demselben Tag sprach G'tt zu Mosche (...)
Raschi bemerkt, dass diese Formulierung, "an demselben Tag", in der Tora neben dieser noch an zwei Stellen benutzt wird: Als Noach die Arche betrat und beim Auszug aus Ägypten. Er führt weiter aus, dass in allen drei Fällen eine Gruppe das Ereignis verhindern wollte. Die Zeitgenossen Noachs wollten ihm den Zutritt zur Arche verwehren und sie zerstören, die Ägypter wollten die Juden nicht aus dem Land lassen und später wollten sie Mosche nicht sterben lassen. G'tt ließ diese Ereignisse daher mitten am Tag geschehen, um zu zeigen, dass sie nicht heimlich geschehen müssen und trotzdem niemand sie verhindern kann.
Eine naheliegende Frage ist, wie die Juden Mosches Tod verhindern wollten. Dies ist im Gegensetz zu den anderen beiden Ereignissen nicht etwas, was ein Mensche normalerweise erreichen kann.
Nach einer Erklärung des Brisker Raw war von G'tt vorherbestimmt, dass Mosche am Berg Newo versterben wird. Es reichte also, zu verhindern, dass Mosche diesen Berg besteigt. Eine andere Erklärung ist, dass Hundertausende aus dem Volk für Mosche beten wollten. Ein einmütiges Gebet so vieler Leute hätte das Urteil über Mosche abändern können. Eine weitere Erklärung nimmt auf ein Konzept Bezug, das wir ursprünglich von Adam, dem ersten Menschen, kennen: Als er erfuhr, dass König David nur einige Stunden leben sollte, spendete er 70 Jahre seines Lebens, sodass er nur 930 Jahre, David dafür aber 70 Jahre lebte. Lebenszeit zu spenden, ist prinzipiell möglich, und in der Jeschiwa des Chafez Chaim in Radin wurde dies auch einmal für einen Vortragenden organisiert. An dieser Sammlung beteiligte sich auch der Chafez Chaim selber - mit einer Minute seiner kostbaren Lebenszeit.
Doch genau wie die anderen Ereignisse konnte auch hier das Urteil G'ttes nicht geändert werden und Mosche verstarb mitten am Tag.
Denn Sie sind ein Volk, das keinen Rat weiß, und Einsicht findet sich nicht bei ihnen.
Als Königin Waschti dem Befehl Achaschweroschs nicht folgte, beriet sich dieser unter anderem mit Mordechai und den anderen Weisen des Sanhedrin, wie sie zu bestrafen sei. Doch diese wollten in dieser Sache nicht entscheiden, denn egal, was sie gesagt hätten, wäre es ihnen nachher zum Vorwurf gemacht worden. Hätten Sie die Hinrichtung Waschtis geraten, hätte Achaschwerosch diese später bereut. Wäre ihr Ratschlag stattdessen gewesen, Waschti nicht zu belangen, hätten sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass ihnen der Respekt vor dem König und seinen Befehlen nichts wert ist. Daher teilten Sie dem König mit, dass sie seit der Vertreibung aus dem Heiligen Land nicht mehr die nötigen geistigen Fähigkeiten haben, um Entscheidungen über Todesurteile zu fällen. Diese Episode zeigt, dass es nicht immer ein Zeichen fehlender Einsicht ist, wenn man im wahrsten Sinne des Wortes ratlos ist, was erklärt, weshalb beide Teile des Satzes benötigt werden.
Der oben erwähnte Satz bezieht sich auf das Volk Israel. Der Ba'al Haturim erklärt anhand eines Hinweises in den Schlussbuchstaben der einzelnen Wörter, dass hier auf eine Episode zur Zeit Hamans angespielt wird. Die Juden mussten damals entscheiden, ob sie der Einladung Achaschweroschs zu seinem Fest folgen sollten. Aus politischen Gründen war eine Teilnahme geboten, doch die Halacha verbot diese. In dieser Situation blieb das Volk ratlos und traf dann auch die falsche Entscheidung.
Der Sefat Emet erklärt, dass das Volk damals nicht den notwendigen Verstand hatte, um sich zu beraten. Es ist nicht schlimm, nicht weiter zu wissen, aber dann muss man sich beraten. Denn wer sich mit Chachamim berät, dem wird kein Missgeschick geschehen.
"Den Felsen, der dich gezeugt hat, täuschst du, und vergisst den G'tt, der dich erschaffen hat."
Der Dubner Maggid erzählt zu dieser Stelle des Liedes, das Mosche gegen Ende seines Lebens zu G'tt singt, folgendes Gleichnis:
Es war einmal ein Mann, der hohe Schulden bei vielen verschieden Gläubigern hatte. Er nahm sich einen Anwalt, doch diesen konnte er in Anbetracht seiner hohen Schulden auch nicht bezahlen. Der Anwalt gab dem Mann deshalb den Tipp, jedes Mal, wenn ein Gläubiger seine Schulden eintreiben will, vorzutäuschen, er sei verrückt geworden. Der Mann befolgte den Rat, und tatsächlich konnte er so alle Gläubiger überzeugen, dass bei ihm nichts mehr zu holen ist. Nach einer Woche besuchte ihn der Anwalt erneut, und wollte sein Honorar einfordern. Der spielte dem Anwalt gegenüber nun ebenfalls den Geisteskranken. Da fragte ihn der Anwalt: "Du versuchst tatsächlich, diesen Trick gegen den einzusetzen, der ihn dir geraten hat?"
G'tt gab uns Menschen die Fähigkeit, Ereignisse und Erfahrungen zu vergessen. Das ist wichtig, da wir sonst mit der Fülle an schlechten Ereignissen und Erfahrungen, die uns im Verlaufe eines Lebens widerfahren, nicht fertig werden könnten.
Manchmal verwenden Menschen aber diese Fähigkeit, Dinge zu vergessen, um unseren Schöpfer, der uns diese Fähigkeit gegeben hat, zu vergessen. Wir müssen uns aber bemühen, uns immer an G'tt und die Mizwot zu erinnern, und die g'ttgegebene Vergesslichkeit nicht auf G'tt selber anzuwenden.
Leschana Tova nikatev wenechatem!